Victoria Ann (Vicky) Birchler Ullrich und Charles Robert (Bob) Ullrich

Dank Vicky Birchlers grosser Unterstützung ist das Projekt «Einsiedeln anderswo» in Fahrt gekommen. Nach der ersten Begegnung im Jahre 2006 mit ihr und einem halben Dutzend weiterer Einsiedler Nachkommen in Louisville hatte das Thema zwar neun Jahre lang geruht. Aber damals entstand der Wunsch, eines Tages der Einsiedler Auswanderung und den heutigen Bezügen näher auf den Grund zu gehen.

Vicky organisierte im März 2015 einen Artikel über das ­Projekt im «Courier-Journal» von Louisville. Sie erinnert sich: «Ich war überwältigt. Dutzende E-Mails und Telefonate erreichten mich schon am Sonntag, als der Artikel erschien. Und viele weitere folgten. Das Interesse der Leute mit Einsiedler Hintergrund hier in Louisville ist gross. Aber: Es brauchte jemanden, der den Ball zum Rollen brachte, der die Leute motivierte, ihren Wurzeln nachzugehen. Das tut ihr mit «Einsiedeln anderswo». Das immense Echo spricht Bände. Gegen neunzig ­Interessierte, alle mit Einsiedler Vorfahren, kamen zum Infoabend hier in Louisville.»

Was für ein Glücksfall: Vicky Birchler Ullrich und ihr Mann Bob beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Genealogie - mit den Familiengeschichten auf beiden Seiten. Ein Blick auf ihre ­Webseite lohnt sich (www.ullrich-birchler.com) und gibt spannende ­Einblicke in die weitverzweigten Familienstammbäume. Und so ist es ist nicht verwunderlich, dass vor wenigen Jahren ein Buch der beiden über die Deutschen in Louisville erschienen ist. Für Vicky ist eindeutig: «Bob, Ingenieur von Beruf und mit deutschen ­Wurzeln, ist ein leidenschaftlicher Genealoge, und so bin ich auch meinen eigenen familiären Wurzeln nähergekommen. Wir haben begonnen, alle Beziehungen im Detail zu erforschen.

Mein Vater starb leider als ich sechs Jahre alt war. Deshalb ­hatten wir mehr Kontakt zur Familie meiner deutsch-irischen ­Mutter. Aber die Schweiz und Einsiedeln sind in meinem Herzen nie verschwunden, im Gegenteil. Ich habe zwar keinen Schweizer Pass, spreche weder Deutsch noch Schweizerdeutsch, aber meine ­Einsiedler Wurzeln sind mir sehr wichtig. Durch meine Mitgliedschaft in der Swiss Ladies Society (der Schwester-Organisation der Gruetli Helvetia Society) bin ich mit den Schweizern hier in Louisville verbunden. Rund 40 Frauen mit Schweizer Wurzeln, viele davon aus Einsiedeln sind aktiv in der Society.

Durch das Projekt erhoffe ich mir, dass die leider etwas ­überalterte Gruppe nun Auftrieb und neue, jüngere Mitglieder erhalten wird. In einem der ersten Meetings in der Swiss Ladies Society erfuhr ich vor Jahren, dass zwei der anwesenden Frauen aus einer der Schoenbaechler-Familien meinen Vater, Edward Louis Birchler, noch persönlich gekannt hatten und in seiner Nachbarschaft aufgewachsen waren. Eine berührende Erfahrung für mich! Er sei ein gut aussehender Mann gewesen, und eine der Frauen verriet mir, dass sie als Teenager gar für ihn geschwärmt habe.»

In der Swiss Ladies Society bekleidete Vicky schon diverse ­Funktionen: «Von der Präsidentin bis zum normalen Mitglied! ­Mir gefällt der Zusammenhalt und wir treffen uns drei- bis viermal jährlich zu Anlässen im Saal der Holy Trinity Catholic Church im St.-Matthews-Quartier. Wir essen zusammen, schwatzen und spielen das SWISSO, eine Art Lottospiel mit Schlagwörtern wie Einsiedeln, Skifahren, Skipiste etc. Die Weihnachtsparty feiern wir mit den Mitgliedern der Gruetli Helvetia Society zusammen.» Vicky wird nachdenklich: «Die Fäden zur alten Heimat verschwinden in ­Louisville immer mehr. Die Swissness geht allmählich verloren. Die älteren Leute sterben, und mit ihnen die Erinnerungen und Geschichten. Natürlich ist das der normale Prozess der Assimilation, aber ich finde es trotzdem schade.

Porträtfoto der Familie Zacharias und Catharina Birchler, circa 1870

Wir sind die fünfte bis siebte Generation von Schweizer Auswanderern und kennen unsere Geschichte zu wenig. Vielleicht ist es eine Frage des Alters, sich mit diesen Sachen zu beschäftigen. Erst ab fünfzig und mehr, nach Karriere, Familie, Kindern, hat man Zeit und Musse, sich mit den eigenen Wurzeln zu beschäftigen. Dieses Projekt ist eine Chance! Einer meiner Cousins rief mich vor ein paar Jahren an, er habe nach dem Tod seiner Mutter, Tante Elizabeth, eine Schachtel mit alten Fotos gefunden. Ob ich ­Interesse hätte? Und wie! Bob und ich fuhren nach Cincinnati, um die Dokumente abzuholen, und entdeckten einen echten Schatz: die Foto meiner Urgrosseltern Catharina Elisabetha Oechslin Birchler und Leonz Zacharias Birchler mit ihren Kindern. Der kleine Bub rechts aussen ist übrigens Frank ­Stephan Birchler, mein Grossvater.»

In der gemütlichen Stube der Ullrich-Birchlers, wo aus der ­Kuckucksuhr an der Wand die ganze Stunde in voller Lautstärke ertönt und wo überall bildhafte Zeugen der Vorfahren stehen und hängen, blättert Vicky in der Familiengeschichte zurück: «Leonz Zacharias kam aus Trachslau und Catharina Elisabetha Oechslin aus Bennau. Sie heirateten im Frühjahr 1852 in Einsiedeln und wanderten wenige Wochen später nach Amerika aus. Wir haben Infos gefunden, dass mit ihnen auf dem Überseedampfer «Great Western» ab Liverpool auch Deutsche und Iren sowie sage und schreibe ­zwischen fünfzig und hundert weitere Einsiedler auswanderten. Sie alle kamen am 29. Mai 1852 im Hafen von New York an.

Farm von Zacharias Birchler in St. Matthews in den 1870er Jahren

Warum sie gingen? Und weshalb gerade nach Louisville? Keine ­Ahnung. Wir haben noch Zacharias' Pass und wissen, dass die älteste ­Tochter 1853 in Louisville geboren wurde. Zacharias war Zimmermann und muss sehr tüchtig und fleissig gewesen sein; 1853 sind auch zwei seiner Brüder (Meinrad Leontius Zacharias Birchler und Meinrad Stephan Birchler) und seine Mutter (Maria Anna Lucia Kaelin Birchler) nach Louisville ausgewandert. Sie gingen in Le Havre an Bord der «Admiral» und kamen am 15. September 1853 in New York an. Meinrad Leontius Zacharias Birchler starb 1854 und seine Witwe heiratete einen anderen Einsiedler, Frank Eberle.

Der ethnische Konflikt gegen die deutschen und irischen ­katholischen Einwanderer, bei denen am Bloody Monday, dem 6.August 1855, in Louisville 22 Menschen starben, liess die Birchler-Familie nach Fulda in Süd-Indiana wegziehen - in die Nähe des Einsiedler Tochterklosters St. Meinrad. Sie fühlten sich nicht mehr erwünscht! Dokumente zeigen, dass Catharina aber nie glücklich wurde in Fulda. Zacharias versuchte sich mit wenig Erfolg als Bauer und wenige Jahre später, 1859, zog die Familie nach Louisville zurück - sein Bruder Stephan blieb in Indiana und gründete mit Maria Anna Hurm eine Familie. Darum habe ich wohl noch heute eine grosse Birchler-Verwandtschaft in der Gegend um Fulda. Meine Urgrossmutter Maria Anna Lucia Kaelin Birchler starb 1860 in Fulda.»

Zacharias und Catharina hatten sechs Kinder: Josephine (1853) und Rosa (1855) wurden in Louisville geboren, Joseph (1859), Benedict (1861), Frank (1862) und Caroline (1864) nach dem Abstecher nach Indiana auch wieder in Louisville. Vier der Kinder verheirateten sich mit Einsiedler Immigranten: Josephine mit Alois Friedrich Schönbächler, Rosa mit Fred Kälin und Caroline mit Tobias Bisig. Frank heiratete Rosa Zehnder, die Tochter von Dominick Zehnder und dessen ersten Frau Josephine Schädler Zehnder.

Zum Schluss unseres Gesprächs meint Bob: «Die Einwanderung der Einsiedler nach Louisville ist etwas Spezielles. Ich habe in all den Jahren meiner gründlichen Nachforschungen noch nie einen Ort gefunden, von wo aus so viele Menschen an einen ­einzigen anderen Ort ausgewandert sind wie aus Einsiedeln in der Schweiz nach Louisville, Kentucky.

Quelle: www.ullrich-birchler.com

Victoria Ann (Vicky) Birchler Ullrich

Auswanderung, direkte Linie:
1852

  • Leonz Zacharias Birchler (1829 – 1903) Trachslau, Louisville
  • Catharina Elisabetha Oechslin Birchler, seine Frau (1831 – 1904) Bennau, Louisville

1853

  • Maria Anna Lucia Kaelin Birchler, seine Mutter (1787 – 1860) Trachslau, Fulda
  • Meinrad Leontius Zacharias Birchler, sein älterer Bruder (1826 – 1854) Trachslau, Louisville
  • Meinrad Stephan Birchler, sein jüngerer Bruder (1831 – 1906) Trachslau, Fulda
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