Mike Kaelin

Mike Kaelin ist ein Nachkomme in der vierten Generation von Auswanderern aus Willerzell. Und er ist der Einzige unserer Interview­partner, der Deutsch und sogar fliessend Schweizerdeutsch spricht.

Wir treffen den 57-Jährigen nicht in Louisville, sondern an der Ostküste. Mike Kaelin lebt heute in New Hampshire, ist Präsident des dortigen Swiss-American Clubs sowie Mitglied im Schweizer Club in Boston. Und Ländlerfan. Dass er sein Akkordeon zum Gespräch mitnimmt, überrascht nicht. Trotz Schweizer Wurzeln und viel Sympathie fürs Land hat er keinen Schweizer Pass. «Ich habe immer wieder versucht, einen zu bekommen. Aber da ­meine Vorfahren keine Anträge für sich und ihre Nachkommen aufs Schweizer Bürgerrecht gestellt hatten, komme ich nicht dazu - ich habe die ­Hoffnung aber nicht aufgegeben, dass ich den roten Pass ­eines Tages erhalte.»

Die Liebe zur Schweiz ist augenfällig: Das Hirtenhemd, das Mike Kaelin trägt, lässt ihn wie einen Schweizer Älpler aussehen. Und dass er die Schweiz kennt, erfahren wir bald. Ein paar Jahre nach seinem Ingenieur-Studium in den USA lebte er Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre fünf Jahre im Zürcher Oberland und arbeitete als Ingenieur bei KABA, einer Firma für Sicherheitssysteme und Schlösser, in Wetzikon. In dieser Zeit lernte er nicht nur Land und Leute kennen, sondern auch Schweizerdeutsch. «Ich wollte meine Wurzeln wirklich erfahren. Die Sprache meiner Vorfahren zu sprechen, ist mir ein grosses Bedürfnis.»

Und er verbesserte sein Akkordeonspiel, das er bei seinem ­Vater, Gilbert Kaelin, in Louisville schon als Kind gelernt hatte. «Immer wieder spielte ich während meiner Schweizerjahre mit ­Musikern in verschiedenen Ländlerformationen mit. Und Willi ­Valotti, den ich an einer Stubete kennenlernte, wurde mein Musiklehrer.» Alle vier bis fünf Jahre versucht er heute, für ein, zwei Wochen in die Schweiz zu reisen. «Ich muss den Schweizer Spirit ­wieder spüren.»

Dann reist er herum, spielt kreuz und quer im Land an verschiedenen Stubeten. «2011 war ich etwa im Restaurant Biberegg in Rothenthurm. Fredi Reichmuth am Klavier und seine Musiker nahmen mich und mein Akkordeon einfach mit dazu. Ich kenne viele ­Schweizer Volksmusikstücke - die alten Ländler besonders. Und jodeln kann ich auch. Ich gehe dann aufs Land, ins Muotathal etwa, ins Ybrig-Gebiet. Die Berge, Volksmusik, Kuhdreck und Rinder - das mag ich. Ich hab mir in New Hampshire hundert Hektaren Land gekauft - mit viel Wald und einem kleinen Berg! Fünfzehn Hektaren habe ich gerodet, baute einen weiten Hag. Nächstens kaufe ich mir ein paar schottische Hochlandrinder, die jahraus, jahrein draussen leben können. Ich will einen kleinen Hof. Meine bäuerliche Herkunft schlägt einfach durch! Ein Holzhaus, im Stil eines Schweizer Chalets, habe ich mir bereits bauen lassen. Der Traktor steht schon in der Scheune. Für meinen Job als Ingenieur fahre ich jeden Tag etwas mehr als eine Stunde nach Wilmington, ­Massachusetts, in der Nähe von Boston - aber mein Herz schlägt eindeutig fürs Landleben.»

Wir sitzen in einem kleinen Park an der Sonne, und Mike Kaelin spielt zwischendurch immer mal wieder ein paar lüpfige Ländler, singt und ­jodelt. Familien mit kleinen Kindern und ­Hunden, auch andere Spaziergänger, gesellen sich zu uns, freuen sich über die ungewöhnliche ­Darbietung: «Ich habe während meiner Zeit in der Schweiz viel über unsere Familie geforscht, bekam von einem Pater im Kloster Einsiedeln Informationen und auch auf dem Zivilstandsamt im Dorf. Überdies habe ich in den Federal Archives in Atlanta viele Dokumente gefunden. So kann ich unsere Familie bis ins 17.Jahrhundert zurückverfolgen. Grossartig!»

Dann wird Mike nachdenklicher: «Die echte Schweizer Musik, die früher von den Einwanderern in Amerika gespielt wurde, ist am Aussterben. Das ist einfach so. Das Schweizerische ist generell immer mehr am Verschwinden - nicht nur in Louisville, auch in Boston und New Hampshire, wo ich lebe, und überall. Viele der Schweizer Nachkommen sind zweite, dritte, ja vierte Generation und sie verstehen die Schweiz kaum, sprechen die Sprache nicht, kennen Kultur und Musik nicht mehr. Nur die Sehnsucht ist geblieben…»

Mike Kaelin (*1959)

Urgrosseltern

  • Anton (Andy) Jacob Kaelin (1860 – 1945) Willerzell und Louisville; Sohn von Joseph Isidor Kälin (1829 – 1879) und Anna Catharina Schönbächler (1836 – 1920) «Grundmärtels», Willerzell
  • Anna Catharina Schoenbaechler (1866 – 1927) Willerzell und Louisville; Tochter von Benedikt Schönbächler-Ruhstaller (1827 – 1878) «Stöckgädlers», Bezirksrat, und Barbara Schönbächler-Ruhstaller (1830 – 1914) Willerzell

Grosseltern

  • Albert Anton (Andy) Kaelin (1890 – 1963) Louisville
  • Catherina Mary Kamer (1894 – 1997) Sattel und St. Matthews; Tochter von Joseph Arnold Kamer (1851 – 1908), Sattel und Louisville und Josephine Ochsner (1854 – 1926) Louisville

Vater

  • Gilbert Kaelin (*1935), Louisville
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